Waldschlösschen
Die Akademie Waldschlösschen, im Sprachgebrauch der deutschen Tuntenbewegung oft schlicht als das Schlösschen bezeichnet, ist eine bundesweit bedeutsame Bildungs- und Begegnungsstätte im Wendebachtal bei Göttingen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1981 gilt sie als Rückzugsort, Inspirationsquelle und spirituelle Heimat zahlreicher queerer, insbesondere tuntischer Lebensentwürfe.

Lage und Einrichtung
Das Schlösschen liegt inmitten waldreicher Mittelgebirgslandschaft, abgeschieden genug für kollektive Selbstfindung, aber mit ausreichender Netzabdeckung für Grindr. Es besteht aus drei Hauptgebäuden (Altbau, Waldhaus und Gartenhaus), die gemeinsam rund 80 Betten sowie Seminarräume, Sauna, Terrasse, Dunkelkammer (nicht die analoge) und ein gut sortiertes Schaumweinlager umfassen.
Bildungsauftrag und Selbstermächtigung
Die Akademie ist gemäß dem Niedersächsischen Erwachsenenbildungsgesetz als finanzhilfeberechtigte Heimvolkshochschule anerkannt[1]. Jährlich finden über 200 Seminare und Veranstaltungen statt, mit Schwerpunkten u. a. in:
- queerer Bildungsarbeit
- HIV/Aids und Gesundheit
- Empowerment von trans*, inter* und nicht-binären Personen
- Rassismuskritik und Antidiskriminierung
- Kunst, Ästhetik und politische Aktion
Das Schlösschen ist Teil des Kompetenznetzwerks zum Abbau von Homo- und Transfeindlichkeit im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“[2].
Tuntische Relevanz
Das Schlösschen als Ort der Tuntigkeit
Seit den frühen 2000ern hat sich das Waldschlösschen als Zentrum der deutschen Tuntenbewegung etabliert. Neben regulären Seminaren ist es vor allem bekannt als Austragungsort des halbjährlichen BuHo, bei dem sich queere Hochschulgruppen aus dem gesamten Bundesgebiet versammeln. Diese Treffen bilden das Herzstück tuntischer Begegnungskultur und enthalten:
- das Abendplenum
- Schlösschenshows
- Tuntentaufen, Tuntenhochzeiten
- spontane Schaumweinsichtungen
- Rituale rund um Stöckel, Dutte und Fummel
Es war und ist Brutstätte legendärer Tunten und magischer Begegnungsort tuntischer Glaubenswelten, siehe Christine und Große Tunte.
Tuntisches Wissen und Mythologie
Zahlreiche tuntologische Artefakte und Konzepte haben hier ihren Ursprung oder wurden weiterentwickelt, u. a.:
- der Goldene Stöckel – ein verfluchter Preis
- das Post-Schlösschen-Trauma – ein häufig auftretendes psychisches Leiden nach Abreise
- der Phallus Destructus – ein umstrittenes Artefakt im Zusammenhang mit König Ludwig II.
Politische Relevanz
Das Waldschlösschen ist Teil politischer Kämpfe um Sichtbarkeit, Anerkennung und gesellschaftliche Teilhabe. Es kooperiert u. a. mit der Bundeszentrale für politische Bildung, der Deutschen Aidshilfe und ist Mitglied zahlreicher queerpolitischer Bündnisse. Über die Jahre bot es Raum für die Entwicklung zentraler queerfeministischer Konzepte und Vernetzung von Selbstvertretungen.
Während der COVID-19-Pandemie geriet die Einrichtung in existenzielle Not, konnte jedoch durch einen Spendenaufruf über 100.000 Euro mobilisieren[3].
Kontroversen und Herausforderungen
Gelegentlich wurde das Schlösschen als "zu queer", "zu politisch" oder "zu tuntig" kritisiert – vor allem von Stimmen, die in queeren Kontexten eher Assimilation denn Dekonstruktion suchen. Andererseits gilt das Schlösschen in der queeren Community als nahezu sakraler Ort: Kritik an ihm ist selten, wird aber innerhalb tuntischer Kreise humorvoll, aber auch ehrlich verhandelt.
Ausblick
Mit dem Erstarken von Rechtsbewegungen und Antigender-Diskursen kommt der Arbeit des Waldschlösschens zunehmende gesellschaftspolitische Relevanz zu. Es bleibt ein Ort gelebter Utopie – für Tunten, Queers, Aktivist*innen und Menschen, die mehr sein wollen als nur "normal".
Siehe auch
- Bundeshochschulschwulenreferatetetreffen
- Tunte
- Show
- Post-Schlösschen-Trauma
- Kategorie:Tunte des Schlösschens
- Kategorie:Reliquien des Schlösschens